Künstler und Kunstdenker

27.07.2011 06:10

Der Münchner Maler Helmut Berninger, ein wahrer Vielwissender, starb im Alter von 84 Jahren

München - Wenn man als Kunstkritiker plötzlich mehrere ansehnliche Kataloge von einem Maler in die Hände bekommt, dessen Namen man nie bewusst vernommen hat, der aber immer schon in der gleichen Stadt gewohnt hat, dann fragt man sich, was man falsch gemacht hat. Der 1927 in München geborene Künstler und Kunstdenker Helmut Berninger hat seit seiner philosophisch prägnant begründeten Hinwendung zur Abstraktion im Jahr 1953 ein malerisches Werk von überzeugend logischer Entwicklung und hoher Qualität geschaffen. Laut Ausstellungsverzeichnis ist dieses Werk von öffentlichen Kunstmuseen nie zur Kenntnis genommen, in privaten Kreisen aber auf beträchtlichem intellektuellen Niveau gewürdigt worden

Berninger hatte sich in seiner Studienzeit nach dem Weltkrieg an der Münchner Akademie ein imponierend umfassendes Wissen aller Spielarten der bildnerischen Moderne verschafft. In Vorträgen, Diskussionsrunden oder privaten Gesprächen mit Naturwissenschaftlern, Philosophen, Musikern, Theaterleuten und Architekten hat er sein Wissen in den gesellschaftlichen Diskurs gestellt. Aber auch einige grundsätzliche schriftliche Werke wie der Aufsatz 'Über das Urteilsvermögen in der Kunst' von 1965 zeugen von Berningers Fähigkeit, Bildnerisches in Worte zu fassen.

Immer wieder hat Berninger seine farbintensive gegenstandsfreie Malerei schlüssig mit den Kreationsschemata anderer künstlerischer oder wissenschaftlicher Disziplinen verglichen. So konnte er seine spezifische Art zu malen, also mit Farben und Formen abstrakte Bildzusammenhänge zu schaffen, sehr wohl mit den Denkmechanismen der Philosophen, mit den Wachstumsgesetzen in den Naturwissenschaften, mit den kompositorischen Praktiken in der Musik, mit den Inszenierungsmethoden im Theater oder mit den Bau-, Konstruktions- und Gestaltungsformen in der Architektur in Verbindung bringen. Übrigens: In den sechziger Jahren hat Berninger mit seiner Frau, der Theatermacherin Carmen Nagel, das Büchner-Theater in Schwabing gegründet und geleitet, in dem beispielsweise Fassbinder seine ersten theatralischen Versuche unternommen hat.

Was aber bleiben wird und in die hiesigen Museen gehört, ist die Malerei: Auf der Suche nach Formen, die jegliche Ähnlichkeit mit Gegenständlichem leugnen, hat Berninger anfangs kleine, aber fest umrissene Flecken gedämpfter Farben zu sehr lebendigen, teppichartigen Mustern zusammengefügt. Später lockert sich die Pinselschrift immer mehr auf, die Farben werden kräftiger und ergehen sich in amorphen Formen, die atmosphärische Qualitäten entwickeln, ja sich oft in kosmische Räume zu öffnen scheinen.

Wie man erst jetzt erfahren hat, ist Helmut Berninger bereits Anfang Juli in München gestorben.

Gottfried Knapp